Abitur auf Umwegen – Magistrat verweigert Antwort

Antrag NR 1100 vom 11.02.2020: Daten zum „Abitur auf Umwegen“ ermitteln

Nach wie vor steht eine inhaltliche Antwort auf die Anfrage A 449/19 „Abitur auf Umwegen“ aus, die den Abiturabschluss von SchülerInnen erfragt, die vorher eine andere Schulform als die des Gymnasiums besucht haben. Dem Stadtschulamt ist anhand der veröffentlichten Daten des Hessischen Statistischen Landesamts (HSL) die Beantwortung dieser Fragestellung nicht möglich. Das um Amtshilfe gebetene Hessische Kultusministerium gibt, trotz Nachfrage, seit Monaten keine Rückmeldung dazu (siehe Zwischenberichte B 148/19 und B/519/19).

Zwischenzeitliche eigene Recherchen lassen erwarten, dass aus dem HKM keine erhellenden Antworten zu erwarten sind. Verantwortlich dafür ist ebenfalls die Datenlage:
Das Hessische Statistische Landesamt veröffentlicht Statistiken zu den Schulübergängen sowie Statistiken zu den Abschlüssen. Es besteht jedoch keine Möglichkeit, diese zu verbinden, um zu differenzieren, ob SchülerInnen mit Hochschulreife vorher ein Gymnasium, eine Realschule, Hauptschule oder eine IGS besucht haben.

Diese individuellen Wege durch das Schulsystem auswerten zu können, wäre nach Einschätzung eines Vertreters des Stadtschulamtes auf Basis der hessischen Lehrer- und Schülerdatenbank (LUSD) jedoch technisch möglich. Umgesetzt wird das bislang offenbar nicht.

Bereits 2003 hatte die Kultusministerkonferenz (KMK) einen Kerndatensatz für schulstatistische Individualdaten der Länder verabredet. Ermöglicht werden sollte die Rekonstruktion von Bildungsverläufen anhand von Längsschnittdaten. In Bayern, Brandenburg, Hessen, Rheinland-Pfalz und Thüringen sollte mit der stufenweisen Umstellung der Schulstatistik auf Individualdaten begonnen werden. Eine kritische Diskussion zum „gläsernen Schüler“ behinderte das.

Eigene Bestrebungen des HSL vor einigen Jahren, versuchsweise eine entsprechende Datei aufzubauen, sind offenbar ebenfalls ohne Ergebnis geblieben.

Schulstatistische Längsschnittdaten und mit ihnen die Darstellung von Entwicklungs- und Bildungsverläufen (und ihrer Hintergrundbedingungen) sind von fundamentaler Bedeutung, will man Schlüsse gewinnen, ob und wie bildungs- und sozialpolitische Investitionen wirken.

Bevor derartiges – Beginn ungewiss – hessenweit in Gang gebracht ist, müssen jedoch schon heute Erkenntnisse zum Abiturabschluss auf „Umwegen“ für Frankfurt gewonnen werden. Die gefragten Daten liegen den Schulen mit gymnasialer Oberstufe elektronisch vor. Dem Datenschutz, um aus Individualdaten keine „Personendaten“ erkennen zu können, ist Rechnung zu tragen. Für die Abfrage, wie viele SchülerInnen von Förderschulen auf Regelschulen wechseln, wird das schon lange praktiziert.

Vor diesem Hintergrund möge die Stadtverordnetenversammlung beschließen:

1. Der Bericht B 519/19 wird abgelehnt.
2. Der Magistrat gibt eine Befragung der Frankfurter Schulen mit gymnasialer Oberstufe (Gymnasium, GOS, IGS) in Auftrag zur Aufstellung einer anonymen Statistik
– aller SchülerInnen, die Abitur abgelegt haben,
– nach Art der besuchten Mittelstufe (Gymnasium, Hauptschule, IGS, Realschule)
– für die Abschlussjahre 2014 bis 2019.
3. Der Magistrat prüft und berichtet, wie der aktuelle Stand zum Aufbau einer Statistik durch das HSL ist, mit der Auskünfte über individuelle Schulverläufe möglich wären.

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Antragsteller: Stadtv. Luigi Brillante