Gleichbehandlung im Wohn-Erbbaurecht

Antrag NR 872 vom 21. Mai 2019: Stadt Frankfurt muss Ungleichbehandlung im Wohn-Erbbaurecht endlich beseitigen

Die „Erbbaurechtsverordnung“ aus dem Jahr 1919 gilt heute mit wenigen Ergänzungen als Erbbaurechtsgesetz (ErbbauRG) fort. Ziel dieses wohnungspolitischen Instruments war und ist vorrangig die Förderung des Wohnungsbaus, insbesondere die Möglichkeit der Schaffung von Eigentum auch für sozial schwächere Schichten. Mit dem Erbbaurecht soll auch die Bodenspekulation bekämpft werden.

Die Stadt Frankfurt am Main hält derzeit rund 5.000 Wohn-Erbbaurechte im Stadtgebiet. Da die Vergabe von städtischen Grundstücken gegenwärtig vorwiegend durch die Bestellung von neuen Erbbaurechten geschieht, wird diese Zahl weiter steigen. Die Laufzeit der Wohn-Erbbauverträge beläuft sich in der Regel auf 99 Jahre. Allerdings wurden in Frankfurt in der Vergangenheit auch Wohn-Erbbaurechte vergeben, die sich nur über eine Laufzeit von 66 Jahren oder kürzer erstrecken.

Die von 99 Jahren abweichend verkürzte Bestellung von Erbbaurechten benachteiligt diese Erbbaurechtsnehmer in erheblicher Weise, da nach Auslaufen des verkürzten Erbbaurechts die Verwaltung dies zum Anlass nimmt, den Erbbauzins nach den jeweils neuesten Bodenrichtwerten anzupassen. Hierdurch tritt eine Vervielfachung bisher gezahlter Erbbauzinsen ein, häufig bis zum 10-fachen des bisher Verlangten, was sich viele Menschen nicht leisten können. Die Gleichstellung mit denjenigen Erbbaurechtsverträgen, die von vornhinein auf 99 Jahre bestellt wurden, ist dringend erforderlich.

Dem Gleichheitsgrundsatz widerspricht ebenso, dass die Privilegierung einzelner Siedlungsgebiete, wie sie in der Vorlage M 84 vorgenommen wird, anderen städtischen Wohn-Erbbaurechtsnehmern vorenthalten wird. Die hierdurch entstehenden Preisunterschiede können sich auf mehrere tausend Euro jährlich für vergleichbare Wohnflächen belaufen. Die seinerzeitige Recht-fertigung für die günstigen Konditionen in Siedlungsgebieten, nach dem Kriege die Wohnungsnot rasch auch durch die Eigeninitiative der Siedler zu beheben, ist mehr als 70 Jahre nach Kriegs-ende heute obsolet. Umso weniger ist es einsichtig, dass diese Privilegierung der Siedlungs-bereiche zu Lasten der anderen städtischen Erbbauberechtigten perpetuiert werden soll. Auch auf der Ebene des Privatrechts gilt für die Stadt das Gleichbehandlungsgebot nach Art. 3 GG.

Die Stadt setzt sich in jüngerer Zeit vehement für Wohnungsmieter ein. Auch wenn im Falle des Erbbaurechts das aufstehende Haus regelmäßig dem Erbbauberechtigten gehört, ist der an den Erbbaurechtsausgeber zu entrichtende Bodenwertanteil in Form des Erbbauzinses nichts anderes als eine Mietzahlung. Deshalb muss der Schutzgedanke für Wohnungsmieter auch auf Wohn-Erbbaurechte ausgedehnt werden.

Mit der Anknüpfung an den jeweils neuesten Bodenrichtwert bei Neubestellungen oder Verlängerungen von Erbbaurechten außerhalb der privilegierten Siedlungsbereiche macht sich die Stadt die seit etwa 2014 ausufernden, spekulativen Bodenwertsteigerungen selbst zunutze und profitiert davon schamlos, obwohl sie sich zu unterschiedlichsten Anlässen durch ihre politischen Repräsen-tanten gegen diese Entwicklungen ausspricht. Was bei einer Neubestellung von Erbbaurechten für bisher unbebaute Grundstücke aber gerade noch angehen mag, da der Erbbauberechtigte in spe die Wahl hat, ob er zu den angebotenen Konditionen sich für ein Erbbaurecht entscheidet oder nicht, kann aber bei bestehenden, schon länger laufenden Erbbaurechten nicht überzeugen. Die Werte der Richtwertkarte werden durch den Gutachterausschuss ausdrücklich für unbebaute Grundstücke im Eigentum ermittelt, nicht für bestehende, schon bebaute Erbbaugrundstücke. Für bebaute Erbbaurechtsgrundstücke gibt es mithin keinen eigenen Richtwert. Dies wird vom Magistrat bewusst ignoriert. Die Alternative zur Erbbauzeitverlängerung, das Erbbaurecht auslaufen zu lassen und den (regelmäßig reduzierten) Entschädigungsbetrag zu vereinnahmen und damit vom Eigentümer des Hauses zum Mieter im eigenen Hause zu werden, ist für den Eigenheim-Erbbaurechtsnehmer bei wirtschaftlicher Betrachtung keine. Dies umso mehr, da über den Erbbauzins und dessen regelmäßige Steigerungen das Grundstück bei einer Laufzeit von 99 Jahren und einem Liegenschaftszins von 5 % p. a. mehrfach bezahlt worden ist.

Mit der Magistratsvorlage M 84 wollte die Stadt im Jahr 2016 die vertraglichen Inhalte städtischer Erbbaurechte neu regeln und den Beschluss „Erbbaurecht 2000“ aus dem Jahr 1996 ergänzen. Diese Vorlage wurde aber bisher nicht beschlossen, die Fragen des Ortsbeirats 6 (OA 12 vom 31.5.2016) sind bis heute nicht beantwortet. Um das Erbbaurecht weiterhin als interessante Alternative zum Volleigentum anzubieten und der Bodenspekulation entgegenzutreten, müssen dessen Konditionen für den Normalverdienerhaushalt attraktiv und bezahlbar bleiben.

Die Stadtverordnetenversammlung möge daher beschließen:

Die M 84 wird mit der Maßgabe beschlossen, dass

A. die Privilegierung der Siedlungsgebiete (siehe M 84, Punkt 5 sowie Anlage 1 und 2) auf alle seit 1.1.2014 wegen regulären Zeitablaufs erstmalig oder wiederholt verlängerte oder demnächst zu verlängernden Wohnerbbaurechte auf selbst genutzten städtischen Wohn-Erbbaugrundstücken ausgedehnt wird, damit der Gleichheitsgrundsatz gewahrt bleibt. Bei mehreren Wohnungen gilt als selbst genutzt nur der vom Erbbaurechtsnehmer, seinem Ehegatten/Partner oder Verwandten bis zum zweiten Grade selbst genutzte Wohnraum.

B. hilfsweise statt A: bestehende Wohnerbbaurechte außerhalb der Siedlungsgebiete, die ursprünglich nicht für einen Zeitraum von 99 Jahren bestellt wurden und deren Laufzeit vertragsgemäß demnächst abläuft oder ohne erfolgte Verlängerung schon innerhalb der vergangenen fünf Jahre (Stichtag 1.1.2014) abgelaufen wäre, einmalig zu den bisherigen bzw. unmittelbar vor der seinerzeitigen Verlängerung geltenden Bedingungen mit den vereinbarten Anpassungsmechanismen für den Erbbauzins auf (nicht um) 99 Jahre verlängert werden,

C. und dass die Bodenwertbemessung zur Berechnung des Erbbauzinses bei Erbbaurechten, die nicht unter B. fallen, außerhalb der Siedlungsgebiete bei vertragsgemäß auslaufenden selbst genutzten Wohn-Erbbaurechten nach der Bodenrichtwertkarte 2014 (halber Bodenrichtwert) festzulegen ist. Auch diese Regelung ist wie unter B rückwirkend seit 1.1.2014 anzuwenden. Das Berechnungsjahr ist nach fünf Jahren auf Angemessenheit zu überprüfen und längstens bis zu einer neuen Festlegung durch Stadtverordnetenbeschluss gültig. Für den Begriff selbst genutzt gilt Anmerkung unter A.

D. bei neu abzuschließenden Erbbauverträgen für ausschließlich unbebaute Grundstücke die Konditionen der Beschlussvorlage unter B1 der M 84 zur Anwendung kommen können.

E. die Verwaltung die vorstehenden Regelungen nur auf Antrag des jeweiligen Erbbauberechtigten umzusetzen hat. Stichtag für die Neuberechnung des Erbbauzinses ist der 1. des auf den Antrag folgenden Monats. Bisher gezahlte höhere Erbbauzinsen werden im Falle einer Neuberechnung nach A oder B und C nicht erstattet.

F. der erste Satz unter „B. Wohnerbbaurechte“, Ziffer 1. der M 84 wie folgt geändert wird: „Außerhalb der in Ziffer 5 definierten Siedlungsgebiete ….“, da es sich bei der derzeitigen Formulierung („Ziffer 4“) offenkundig um einen Fehler handelt.

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Antragsteller:
Stv. Luigi Brillante