Anfrage vom 28.8.2018: Vorfall in der Stadtverordnetenversammlung vom 21.6.2018
Der Rücktritt von Mesut Özil aus der Fußball-Nationalmannschaft hat zu einer Debatte über Rassismus geführt, an der sich viele Menschen via Twitter unter dem Hashtag #MeTwo beteiligt haben. Sie teilten dort Erfahrungen des alltäglichen Ausgeschlossenseins, der Beleidigung und der Demütigung. Die rassistischen Angriffe, die Mezut Özil nach der Begründung seines Rücktritts erleben musste, kamen keineswegs nur von anonymen Internet-Nutzern, sondern verstärkt von Funktionsträgern des öffentlichen Lebens. Für Menschen mit Migrationshintergrund ist das ein fatales Zeichen, weist es doch darauf hin, dass – egal wie erfolgreich und integriert sie sind – die Herkunft ihrer Eltern oder Großeltern jederzeit gegen sie verwandt werden kann.
„Die führenden Politiker in diesem Land haben keine Vorstellung davon, wie Einwanderer leben“ schreibt Patrick Bahners in seinem Artikel „Die neue Herablassung“ in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 12.8.2018. Dies zeigten auch die Reaktionen auf die Erlebnisse, die Menschen per Twitter erzählt haben. Dabei beschwere sich nur ein verschwindend kleiner Teil der BürgerInnen mit Migrationshintergrund, so Bahners: „Diese Beschwerde im Regelfall zu unterlassen, über die Kränkung hinwegzugehen, das ist und bleibt für die Betroffenen normal: eine Übung der Höflichkeit.“
Aber rassistische Kränkungen beeinträchtigen das Lebensgefühl der Menschen, gleichwohl, ob sie selbst oder eines ihrer Vorbilder gedemütigt wurden: es untergräbt ihre Zuversicht, als vollwertiges Mitglied der Gesellschaft zu gelten.
Vier Wochen vor Beginn der #MeTwo-Debatte kam es zu einem Vorfall in der Plenarsitzung. Der integrationspolitische Sprecher der CDU-Fraktion forderte einen Stadtverordneten der Fraktion „DIE FRANKFURTER“ auf, sich bei Deutschland zu bedanken.
Anlass war dessen Forderung, den Integrationsbericht öffentlich zu diskutieren, da es noch immer viele Mängel in der gesellschaftlichen Teilhabe von Menschen mit Migrationshintergrund gäbe, u.a. die geringe Zahl von Stadtverordneten mit Migrationshintergrund (12 Prozent).
„Es wäre schön, wenn Sie einmal Danke sagen und auch auf die positiven Dinge hinweisen würden. In den klassischen Einwanderungsländern ist das nämlich Standard. Da sind Einwanderer richtige Patrioten.“ (siehe Wortprotokoll der STVV-Sitzung vom 21.6.2018)
Dieser Wortbeitrag des integrationspolitischen Sprechers der CDU-Fraktion illustriert sehr anschaulich die oben erwähnte neue Herablassung, die Menschen mit Migrationshintergrund zum Bittsteller degradiert.
Dies vorausgeschickt frage ich den Magistrat:
1. Hält der Magistrat rituelle Danksagungen für einen sinnvollen Beitrag zur Integration?
2. Erwartet der Magistrat weitere Demutsgesten von Menschen mit Migrationshintergrund?
3. Dürfen sich in Frankfurt nur Bio-deutsche Stadtverordnete kritisch zur Integrationspolitik äußern, ohne bloßgestellt zu werden?
4. Die Beiträge in der #MeTwo-Debatte erzählen von Ausgrenzungserlebnissen vieler Menschen mit Migrationshintergrund. Wären Aufnahme-Gesten, wie z.B. eine Feierstunde für Migranten der ersten Stunde, eine Integrationsförderliche Maßnahme?
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Die FRANKFURTER
Stv. Luigi Brillante
Stv. Bernhard E. Ochs
Stv. Dr. Erhard Römer
Anfragesteller:
Stv. Bernhard E. Ochs