Anfrage A 342: Abwässer der Krankenhäuser in Frankfurt
Nachdem auf unsere Initiative (NR 346/2017) nun der aktuelle Gewässerbericht vorgelegt wurde, wird deutlich, dass vielfacher Handlungsbedarf besteht, um die hygienische Qualität der Frankfurter Bäche und Flüsse zu erhöhen. Vor allem die in einigen Gewässern gefundenen multiresistenten Erreger sind besorgniserregend. Zu den Verursachern bzw. Einleitern zählt unbestritten in großem Maße die konventionelle Landwirtschaft. Eine andere Quelle in noch nicht bestimmtem Ausmaß sind die Krankenhäuser und Kliniken.
Der Hygieneexperte Martin Exner, in dessen Labor an der Universität Bonn die Frankfurter Wasser- und Schlammproben analysiert wurden, führt dazu aus: „In unseren deutschlandweiten Untersuchungen haben wir hochresistente Erreger vor allem bei solchen Kläranlagen gefunden, in deren Einzugsgebiet Kliniken liegen.“ (FNP, 16.3.2018)
Das ist wenig verwunderlich: Krankenhäuser leiten ihr Abwasser in die Kanalisation. Dabei haben Krankenhäuser einen sehr hohen Wasserbedarf und -eintrag (250-1000 l/Bett und Tag) und hohe sogenannte „Schadsstofffrachten“ in ihren Abwässern.
In die kommunale Kanalisation verfrachtet werden neben seuchenhygienisch bedenklichen hoch- bis multiresistenten Keimen und Medikamentenrückständen eine Vielzahl sogenannter „Gefährlicher Stoffe“, die giftige, erbgutverändernde, fruchtschädigende oder krebserzeugende Wirkung haben können: hormonelle Behandlungsmittel, Laborchemikalien, diagnostische Substanzen (z.B. cyanidhaltige Chemikalien aus der Hämoglobinbestimmung), AOX (adsorbierbare organische Halogenverbindungen), die u.a. in der Dialyse, in Röntgenkontrastmitteln, in Desinfektionsmitteln enthalten sind, Substanzen aus fotografischen Prozessen u.v.m.
Doch gerade Rückstände von Antibiotika haben im Kontext der aktuellen Gewässerproblematik die größte Bedeutung, leisten sie der Entstehung und Verstärkung von resistenten Pathogenen Vorschub und stellen mit den Keimen im Abwasser und den Gewässern selbst eine Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung dar.
Dabei unterliegen Krankenhausabwässer wie andere Abwässer einer Vielzahl von Vorschriften, wie dem Wasserhaushaltsgesetz, dem Hessischen Wassergesetz, Verordnungen für Indirekteinleiter, Vorschriften zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen usw.
Entsprechend ihrer Einträge müssten sie eigentlich schon am Ort der Einleitung gesondert behandelt werden. Dennoch gibt es bislang keine gesetzliche Regelung, die das Einleiten tatsächlich verhindert bzw. die Klärung der belasteten Abwässer schon im Krankenhaus zwingend vorschreibt.
Bestimmte Bereiche und Prozesse innerhalb eines Krankhauses sind zwar mit rechtlichen und technischen Auflagen verbunden, die vom Krankenhausträger einzuhalten sind. Im Falle hochkontagiöser Erkrankungen wie Ebola z.B. gibt es die Empfehlung, die Abwässer zu sammeln.
Krankenhäuser mit nuklearmedizinisch-therapeutischen Stationen unterliegen auch der Strahlenschutzverordnung (StrSchVO). Radioaktive Abwässer müssen zum Abklingen der Radionukleide ca. 160 Tage im Klinikbereich gelagert werden.
Experten gehen davon aus, dass die für die genannten Fälle benötigten Speicherbehälter, Räumlichkeiten, die Überwachung und Verwaltung in der Regel die Möglichkeiten einer Klinik übersteigen. Die Trennung von kontaminierten und unbedenklichen Abwässern belastet den Arbeitsablauf der Klinik und verlangt neben zusätzlichen baulichen Maßnahmen auch veränderte Verhaltensweisen und Technologien. Bisher gibt es die es nur in Forschungs- und Modellprojekten (Institut für Umweltverfahrenstechnik, Uni Bremen). Gesetzliche Auflagen im Bereich der Abwasserproblematik werden wegen Zeit- und Personalengpässen sowie der angespannten finanziellen Situation im Gesundheitswesen seit Jahren nicht angegangen, so dass wichtige Aufgaben in diesem Bereich nicht wahrgenommen werden.
Die Kommunen, die die Benutzung ihrer Abwasseranlagen regeln, haben die Möglichkeit, eine konkrete Vorbehandlung der Abwässer in ihrer Abwassersatzung festzuschreiben. Entsprechend der Güte bzw. Schädlichkeit ihrer Abwässer wiederum zahlen die Krankenhäuser eine Abwasserabgabe, die vom jeweiligen Bundesland erhoben wird und für Maßnahmen zur Erhaltung bzw. Verbesserung der Gewässergüte zweckgebunden ist. Das Abwasserabgabengesetz erwähnt bei der Zugrundelegung der Schädlichkeit (§ 3 AbwAG) keinerlei hygienisch-biologische Parameter wie Krankheitserreger oder Medikamentenrückstände und ihre Wirkung auf Menschen und Tiere, lediglich die „Giftigkeit gegenüber Fischeiern“.
Betrachtet man die beschriebene Problematik am Entstehungsort Krankenhaus, muss die Dringlichkeit der Installation tauglicher Reinigungsverfahren an dieser Stelle ein weiteres Mal betont werden. Die WHO spricht von einer weltweit ernsten Lage in Bezug auf Antibiotika-Resistenzen. Einige der häufigsten und teils gefährlichsten Erkrankungen könnten mittlerweile nur noch eingeschränkt behandelt werden, auch in den Industrienationen.
Dies vorausgeschickt, frage ich den Magistrat:
1. Gibt es festgeschriebene Vereinbarungen zwischen der Stadt Frankfurt und den Krankenhäusern und Kliniken bzgl. einer Vorklärung einer (oder verschiedener) Substanz(en)?
2. Wenn ja, welche Krankenhäuser klären welche Substanzen vor Einleitung in das kommunale Abwassernetz vor?
3. Wenn nicht, gibt es in diesem Fall Krankenhäuser, die das für eine (oder verschiedene) Substanz (en) „freiwillig“ tun?
4. Findet die Zusammensetzung ihrer Abwässer Berücksichtigung bei der Berechnung der Abwasserabgaben der Frankfurter Krankenhäuser? Inwieweit ändert eine Vorklärung diese Berechnung?
5. Wie hoch sind die Gebührensätze für die jeweilige Beschaffenheit des Abwassers?
6. Wie werden die Krankenhausabwässer auf diese Beschaffenheit überprüft? Von wem und in welchem Turnus?
7. Profitiert die Stadt Frankfurt von den ans Land gezahlten Abwasserabgaben?
8. Wie hoch ist der Anteil der durch Krankenhausabwässer eingeleiteten medizinischen Rückstände am Gesamtaufkommen der Einleiter vergleichbarer Stoffzusammensetzungen, wie z.B. Arztpraxen?
9. Bestehen seitens der verantwortlichen Dezernate Planungen, die bisherige Einleitungspraxis medizinischer Einrichtungen zu verändern, um die Abwasserbelastung zu senken?
10. Wie beurteilt der Magistrat die Realitätstauglichkeit des Abwasserabgabengesetzes bzgl. der für die Abgabe relevanten Schadstoffe?
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Antragsteller: Stadtv. Luigi Brillante